Naturforscher - Wissenswertes aus der Natur
Schmetterlinge - die zarten Gaukler des Sommers - werden es immer weniger?
Wenn ich mit Netz und Kartierblock im Landkreis unterwegs bin, werde ich häufiger darauf angesprochen, dass kaum noch Schmetterlinge zu sehen sind. Werden sie wirklich immer weniger?
Diese Frage ist nicht so einfach und mit einem Satz zu beantworten, daher ein paar Informationen zum Hintergrund. Einige von unseren häufigeren Tagfaltern haben zwischen Juni und Juli Generationswechsel.
Die Falter, die als erwachsene Tiere überwintern, z.B. Zitronenfalter und Tagpfauenauge, haben im Frühjahr ihre Eier abgelegt und damit geht ihre Lebenszeit langsam zu Ende. Bis die nachfolgende Generation von Ei über Raupe und Puppe ihr Larvenstadium erfolgreich überstanden hat, entsteht eine Lücke, in der für uns diese Schmetterlingsart scheinbar verschwunden ist. Im Juli können wir dann die frisch geschlüpften Exemplare begrüßen. Diese überleben den kommenden Winter.
Vergleichbar läuft es bei den Falterarten, die als Raupe oder Puppe überwintern, aber zwei Generationen im Jahr hervorbringen. Am besten können wir die Tiere der beiden Generationen beim Landkärtchen unterscheiden, dessen Frühjahrsform sich im Aussehen deutlich von der Sommerform unterscheidet.
Durch diese "Sommerlücke" bei mehreren Schmetterlingsarten entstaht vorübergehend der Eindruck, es gäbe diese Falter kaum noch - und das in der schönsten Sommerzeit.
Wie aber kommen wir zu belastbaren Daten über die Häufigkeit einzelner Falterarten oder über die Gesamtzahl der Tagfalter z.B. in einer bestimmten Region?
Die Klärung dieser und noch vieler anderer Fragen hat sich das Tagfalter-Monitoring als Aufgabe gestellt. Dieses Monitoring wird in vielen Ländern der Europäischen Union, aber auch in anderen Ländern nach den gleichen Regeln durchgeführt, so dass die DAten einen Blick auf Gesamtzusammenhänge ermöglichen. In Deutschland läuft das Tagfalter-Monitoring Deutschland (TMD) seit dem Jahr 2006. Koordiniert und ausgewertet wird es vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig und Halle.
Wie sieht die Mitarbeit am TMD vor Ort praktisch aus?
In ganz Deutschland gehen freiwillige Zähler jedes Jahr festgelegte Strecken (Transekte) in regelmäßigen Abständen ab, bestimmen und zählen jede Tagfalterart, die sie auf diesem Transekt sehen. Abgrenzung der Strecken, Wetterdaten und Zeit der Begehung sind zum Teil vorgegeben, werden genau protokolliert und zusammen mit den Zählergebnissen dem UFZ gemeldet.
Für begrenzte regionale Aussagen kann ich meine Daten verwenden. Mit ihnen will ich an zwei Beispielen der Frage nach dem Verschwinden der Schmetterlinge genauer nachgehen.
Eine meiner Transektstrecken liegt bei Ahornismühle, ist 300 m lang und wird von mir seit 2006 begangen. Zwischen Anfang April und Mitte September bestimme und zähle ich dort 10 - 12 mal in jedem Jahr die Tagfalter. Als Beispielart habe ich den Schonsteinfeger (Aohantopus hyperantus) gewählt, eine Falterart, die bevorzugt auf offenen Flächen in der Nähe von Hecken oder Waldrändern fliegt und bei uns eine sogenannte "Allerweltsart" ist.
An dem Kurvenverlauf über 18 Jahre können wir deutlich die gewaltigen Schwankungen in der Häufigkeit der gezählten Exemplare pro Jahr sehen, vor allem in den Jahren 2006 - 2016, wo der Schmetterling in diesem Lebensraum zum Teil sehr häufig flog. Seit 2016 bewegt sich die Kurve nur noch im unteren Bereich und es ist zu befürchten, dass die Abnahme der Häufigkeit in diesem Lebensraum nicht nur auf eine kurzfristige Schwankung zurückgeht, sondern dass sich ein stabilder Trend entwickelt.
Als zweites Beispiel zeige ich für das gleiche Transekt die Summenkurve aller gezählten Falterexemplare pro Jahr. Auch diese Kurve zeigt heftige Schwankungen und leider einen zunehmenden Trend nach unten.
Zu beachten ist, dass beide Beispiele nur eine ganz begrenzte regionale Aussage haben!
Was ich deutlich machen möchte, ist, dass unser "gefühlter Eindruck" bezüglich der tagaktiven Schmetterlinge teils auf kurzfristigen Schwankungen oder artspezifischen Phänomenen wie der Flugpause zwischen zwei Generationen beruhen kann. Trotz dieser Einschränkungen hat für mich dieser gefühlte Eindruck eine wichtige Hinweisfunktion: "Da fällt mit etwas auf, da sollte ich mal genauer hinsehen und mich evtl. informieren".
Und das genauere Hinsehen lohnt sich bei den Schmetterlingen in vielen anderen Fällen:
- Wir können aufmerksam werden für regionale Gegebenheiten: Gibt es in unserem Umfeld Lebensräume für Insekten? Wie werden die Feld- und die Straßenränder behandelt?
- Wir können unser Verhalten gegenüber Raupen überprüfen. Schließlich sind Raupen die Kinder unserer Schmetterling und unersetzliche Nahrung für die Vogelbrut.
- Wir können evtl. entdecken, dass es Arten gibt, die durch die Klimaerwärmung neu bei uns auftauchen oder häufiger werden.
- Wir können unsere Gärten naturnäher gestalten.
- Wir können unsere politisch Verantwortlichen immer wieder daran erinnern, dass wir Menschen Teil der Natur sind und es uns langfristig nur gut geht, wenn wir diese Natur pfleglich behandeln. Und sollten durch unsere Wahl dazu beitragen
Schmetterlinge berühren in den meisten von uns den Wunsch nach Leichtigkeit, nach umbeschwertem Genießen und nach Schönheit. Auch dafür brauchen wir sie!
Wer Interesse am Projekt des Tagfalter-Monitorings Deutschlang bekommen hat, möge sich gern bei mir melden (hannelore_buchheit@web.de)
Hannelore Buchheit